Wenn die Wirklichkeit nicht begrifflich und durch Konzepte erfassbar ist, dann muss der Mensch seinen Geist von allen Vorstellungen freimachen, um diese zu erfahren. Im alltäglichen Dasein nimmt er diese Wirklichkeit einfach nicht wahr, weil er sich in seinen Bildern und Konzepten von ihr verheddert hat.
In dem Moment, in dem der Mensch zulässt, dass sich diese Konzepte auflösen, weil er nicht mehr an ihnen hängt, erfährt er die Grundlage von allem, was ist. Das hat mit Ekstase und Visionen nichts zu tun.
Zwischen dieser Wirklichkeit und der Welt des Wandels gibt es letztlich gar keinen wesenhaften Unterschied mehr. Allerdings ist diese Erkenntnis erst demjenigen einsichtig, der die nonduale Struktur der Wirklichkeit erlebt. Alles Reden über Nondualität lässt diese nicht real werden, da in der Rede, im Denken, im Fühlen immer ein Unterschied zwischen Subjekt und Objekt vorhanden ist. Erst dort, wo existenziell verstanden wird, dass dieser Unterschied nicht real im Sinne einer absoluten Gültigkeit existiert, löst sich die Dualität auf und die reine Ununterschiedenheit ist. Über die gibt es aber nichts mehr zu sagen. Wir werden sehen, Eckharts Lehre dreht sich im Wesentlichen genau darum.
Ceming, Katharina: Lass mal. Mit Meister Eckhart ins Hier und Jetzt. Münsterschwarzach 2018, S. 34f.