Demokratisches Mitgestalten – eine Konkretion zur Chairpersonship

In einem Beitrag von 1990 setzt sich Helga Modesto mit der Frage auseinander, wie demokratische Mitgestaltung und und das Prinzip der Chairpersonship aus der TZI zusammengehören. Dabei werden die persönlichen Voraussetzungen konkretisiert, die es braucht, um Demokratie zu gestalten.Hier ein Auszug aus Ihrem Artikel:

„Demokratie, Herrschaft in einem Gemeinwesen nach dem Willen des Volkes (im Gegensatz zur Herrschaft nach dem Willen eines einzelnen oder einer, wie auch immer gearteten Gruppe oder Klasse) setzt voraus, dass jene, die in dem Gemeinwesen ihren Willen kundtun und sich selber und die Gruppe (mit-)leiten, Chairpersons im Sinne des Chairman-Prinzips von TZI sind. Denn sie müssen lernen (ob sie TZI nun kennen oder nicht):

  • wahrzunehmen bzw. zu wissen, was sie wollen,
  • zu artikulieren, was sie wollen
  • die eigenen Bedürfnisse und die Bedürfnisse der anderen abzuwägen als Voraussetzung für ihre bewusste Entscheidung,
  • die Konsequenzen aus ihrem Verhalten zu tragen, Irrtümer und Fehler zuzugeben und neu anzufangen, wenn etwas schiefgelaufen ist,
  • echte, akzeptable und, wenn auch vorläufige, so doch hier und jetzt ernst zu nehmende Kompromisse zu finden,
  • ihren Platz im Gemeinwesen (in der Gruppe), der ihr eigener ist, zu suchen und zu finden und sich dabei nicht von Machtstreben leiten zu lassen, sondern vom Streben nach Eigenwohl und Gemeinwohl zugleich, da eins das andere bedingt.“

Für mich ist hier in allgemeingültiger Weise aufgezählt, was nötig ist, um demokratische Meinungsbildungsprozesse zu gestalten. Natürlich können wir nicht voraussetzen, dass alle Teilnehmenden (nicht einmal wir selbst) diesem Anspruch an Chairpersonship genügen. Dennoch ist es unumgänglich, ihn als Ideal vor Augen zu behalten. Nur so können wir den Raum schaffen, damit Menschen mehr und mehr in diesem Sinne handeln.

Dazu kommt (und auch das hat in Modestos Artikel Raum), dass der Prozess immer auch von Störungen heimgesucht wird. Eigene Unzulänglichkeiten oder die anderer, Projektionen und Übertragungen sind da nur Beispiele. Es gilt ernst zu nehmen, dass sich diese Störungen Vorrang nehmen und mit ihnen umzugehen.

Wenn Modesto im weiteren Verlauf des Artikels festhält, dass in der Demokratie Mehrheitsentscheidung gilt, während die TZI darüber in partnerschaftlicher Weise hinausgeht, so ist aus heutiger Sicht wichtig, dass sich auch demokratische Entscheidungen nicht in Mehrheiten erschöpfen dürfen. Hier gilt es, moderne Verfahren der Lösungsfindung und der Abstimmung zu nutzen, die Minderheitenmeinungen mit einbeziehen und über den schlichten Kompromiss hinausgehen.

Auch wenn Modesto betont, dass Demokratie – streng genommen – Gleichheit aller bedeutet, so ist das nicht mein Demokratie-Begriff. Modesto proklamiert zu Recht für die TZI, dass sie die Individualität und die Einmaligkeit eines jeden Menschen ernst nimmt. Für mich ist das nicht nur ein unaufgebbares Element der TZI, sondern auch die Grundlage jeder Demokratie. Gleichheit ist „nur“ als Gleichheit der Würde eines jeden Menschen zu denken.

Quelle:

Modesto, Helga: Demokratisches Verhalten in der TZI-Gruppe: Eine Herauforderung der Chairperson. In Themenzentrierte Interaktion, Heft 1/1990, S. 48-57.

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